Polizeiwachtmeister Franz Elbert ging in jener Nacht eben vom Dienst in Heubach nach Hause, als sein Kollege mit dem Auto neben ihm anhielt: Ein Angestellter hatte einen Einbruch ins Kaufhaus Boger gemeldet, die beiden wollten den Täter stellen. „Das Kaufhaus Boger befand sich in der Heubacher Hauptstraße, heute ist an dieser Stelle ein Reisebüro“, erläutert Dieter Zellmer. Er war 30 Jahre lang Polizist in Heubach, hat das dortige Polizeimuseum eingerichtet und dafür auch den Fall Elbert aufgearbeitet. In dieser Nacht wollten die Heubacher Polizisten den Einbrecher am Tatort stellen, der flüchtete die Grabenstraße hinauf. Polizist Reinhold Pöhler wollte seine Dienstwaffe einsetzen, die aber hatte Ladehemmung. Elbert verfolgte den Täter. Gmünds Polizeichef Helmut Argauer vermutet, dass der 22-Jährige den Täter als Bekannten erkannt hatte und ihn deshalb ohne Waffe stellen wollte. An der Abzweigung zum Rathaus geschah es: Elbert stellte den Flüchtenden im Hundsgraben beim alten Feuerwehrhaus, der zog im Handgemenge ein kurz zuvor erbeutetes Fahrtenmesser und stach Elbert in die Herzgegend. Der junge Polizist starb innerhalb weniger Minuten. Auch Pöhler, der die Kämpfenden noch erreicht hatte, wurde durch Messerstiche schwer verletzt und musste ins Gmünder Spital eingeliefert werden. Der Täter entkam. Schon am folgenden Vormittag begann eine der größten Suchaktionen, die Heubach je erlebt hat: Dutzende von Polizisten, unterstützt von einem Hubschrauber, durchkämmten den gesamten Rosenstein – ohne Erfolg. Den Erfolg brachte eine andere beispiellose Aktion: Der Täter war auch ins gegenüber liegende Haus Grandel eingestiegen und hatte am Fensterrahmen einen Fingerabdruck zurückgelassen. Und so rollte die bis dahin umfangreichste Reihenanalyse der bundesdeutschen Kriminalgeschichte an: Rund 400 Heubacher zwischen 16 und 25 Jahren waren aufgefordert, im Rathaus ihre Fingerabdrücke abzugeben. „Der Ort war entsetzt“, beschreibt Dieter Zellmer die damalige Stimmung. Mitte September war die zweitägige Aktion angesetzt, zu der die Polizei auch einen Streifenwagen bereitstellte, um Personen bei Bedarf zu Hause oder am Arbeitsplatz abholen zu können. „Schon am ersten Tag kamen drei Viertel der Aufgerufenen“, erläutert Zellmer die Bereitschaft der Bevölkerung. Dagegen äußerten selbst Vertreter der übergeordneten Polizeidienststellen in Stuttgart Zweifel am Erfolg dieser außergewöhnlichen Methode. Und doch – unter den Aufgerufenen war auch der Täter: Seine Fingerabdrücke entlarvten den 17-jährigen P. als Schuldigen. Die Polizei holte ihn aus dem Unterricht in der Gmünder Berufsschule heraus. Dass Täter und Opfer sich gut kannten, beide zusammen beim TSV Heubach Fußball gespielt hatten, sorgte für zusätzliche Betroffenheit in der Bevölkerung. „Das konnte niemand begreifen, auch für die in Heubach ansässige Familie des Täters war es ein Schlag“, schildert Dieter Zellmer.
„Egal, wo ich ihn treffe“ Drei Tage brauchte das Landgericht Ellwangen im März 1969, um zu einem Urteil zu kommen: Es verhängte acht Jahre Jugendstrafe für Mord, versuchten Mord und mehrere Diebstähle, die dem jungen Mann auch noch nachgewiesen worden waren. P. habe gewusst, was er tat, begründete Landgerichtsdirektor Götz das Strafmaß: Er habe die Tötung Elberts zwar nicht beabsichtigt, aber doch in Kauf genommen. Götz erinnerte daran, dass P. zum Ablauf des Gerangels aussagte: „Es ist mir egal, wo ich ihn treffe.“ Als mildernde Umstände fielen ins Gewicht, dass der 17-Jährige die Tat nicht von langer Hand vorbereitet hatte und dass er zur Tatzeit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut hatte. P. hatte, diesen Eindruck gewannen Beobachter, die Verhandlung gelassen, fast teilnahmslos verfolgt. Und dennoch hat er „die Tat nie überwunden“, das erfuhr Dieter Zellmer von Heubachern, die den Verurteilten während dessen Haft besuchten. Nach seiner Entlassung zog er aus Heubach weg, gründete eine Familie. Doch die Tat verfolgte ihn offenbar weiter: 2001, so hat Zellmer erfahren, hat sich P. in Ittlingen bei Heilbronn erhängt. In Heubach ist die Tat unvergessen: Im kommenden Jahr, 40 Jahre nach dem Geschehen, soll am Tatort eine Gedenktafel angebracht werden.